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Hochsensibel UND hochbegabt, zwei Seiten einer Medaille? (2)


Vorab ein Anmerkung für die Kritiker, Skeptiker und Ungläubigen: Natürlich hat nicht jeder Hochsensible einen IQ von mindestens 130, wie „Hochbegabung“ ja definiert ist! Vergleicht man allerdings die Persönlichkeitsbeschreibungen beider Gruppen, sind – bis auf individuelle Ausprägungen – keine Unterschiede festzustellen. Ich persönlich weigere mich, Menschen nach Quantität (was der IQ ja nur ist) „einzuteilen“, ganz einfach, weil es ihnen nicht im Ansatz gerecht wird. Die Ergebnisse von IQ-Tests sind nicht das Maß aller Dinge, insbesondere, weil die Testungen sehr störanfällig sind und damit das Potenzial vieler Probanden gar nicht wirklichkeitsgetreu wieder gegeben werden kann (was NICHT heißt, dass ich von IQ-Tests nichts halte, ganz im Gegenteil! Aber es ist von vielen Faktoren abhängig, ob sie das vorhandene Potenzial abbilden oder eben nicht. Insbesondere bei den kostengünstigen Mensa-Tests werden etwa die Hälfte der bisher unerkannten Hochbegabten nicht identifiziert, was oft zu viel Leid führt). Persönlichkeitseigenschaften ausschließlich durch eine quantitative Größe wie den IQ als „berechtigt“ oder „nicht berechtigt“ einzustufen, halte ich nicht für zielführend. Ich verstehe „Hochbegabung“ hier also ausschließlich als ein Konglomerat von Persönlichkeitseigenschaften, die zwar mit Intelligenz zusammenhängen, aber nicht an einem willkürlichen Schwellenwert festgemacht werden können.

So, jetzt aber …


Ein Vergleich von Merkmallisten ist bei Erwachsenen nicht so einfach, wie bei Kindern, weil es für Erwachsene keine Merkmallisten gibt, die aus Studien hervorgegangen sind. Bisher hat die Wissenschaft hier ihren Fokus immer noch weit überwiegend auf Kinder. Zwar gibt es mittlerweile einige Bücher über hochbegabte Erwachsene, die auch wirklich gut sind, aber keines basiert auf wissenschaftlichen Forschungsergebnissen (von einzelnen Kapiteln einmal abgesehen). Die Inhalte basieren auf Beobachtungen, die zwar umfangreich sind und sicher auch wahr, aber eben nicht das, was man in der Wissenschaft „evidenzbasiert“ nennt. Bei qualitativen Merkmalen ist das jedoch auch in der Wissenschaft äußerst schwierig bis unmöglich. Deshalb wird viel Wert auf die „Qualität“ des Autors gelegt, auch von mir. Aber die von unterschiedlichen Autoren beschriebenen Merkmale sind immer noch umstritten. Es gibt Fachleute, die behaupten, zwischen Hochbegabten und Normalbegabten gäbe es keinerlei Unterschiede außer ihrem IQ und dabei werden wahrscheinlich die meisten Hochbegabten aufjaulen wie ein Hund, dem man auf die Pfote getreten hat. Und es gibt andere, die genau das Gegenteil behaupten und diese Unterschiede sehr differenziert beschreiben. Ich bin überzeugt von einer grundlegenden Andersartigkeit hochsensibler UND hochbegabter Menschen. Schließlich bin ich selbst einer und erlebe das jeden Tag an mir und seit nunmehr acht Jahren bestätigen meine Klienten und über 5.000 Mitglieder meiner Facebook-Gruppe das ebenfalls.

Zwar gibt es eine umfangreiche Studie zu hochbegabten Erwachsenen, aber die Ergebnisse sind noch nicht veröffentlicht und ich weiß auch nicht, ob daraus eine Merkmalliste generiert werden kann oder wird. Lassen wir uns überraschen… Eine weitere Studie beschäftigt sich mit Hochbegabten im Arbeitsleben.


Weil es mir aber darum geht, dass möglichst viele Menschen sich erkennen, sind qualitative Vergleiche die einzige Möglichkeit, Ähnlichkeiten oder gar Gleichheiten festzustellen.


Ich habe in meinen Büchern Merkmallisten mit entsprechenden Erklärungen veröffentlicht. Die einzelnen Merkmale habe ich aus Büchern über erwachsene Hochbegabte bzw. Hochsensible, Texten/Listen anderer Websites zusammengestellt, und mit meiner Erfahrung mit zahlreichen hochbegabten Erwachsenen abgeglichen. Und teilweise sind das auch Merkmale, die schon bei Kindern festzustellen sind, denn Hochbegabung wächst sich ja nicht aus. Natürlich sind auch meine Listen nicht evidenzbasiert. Dennoch benutze ich die für hochbegabte Erwachsene hier zum Vergleich, eben aus Ermangelung wissenschaftlich fundierter Forschungsergebnisse bei hochbegabten Erwachsenen.


Aber auch in anderen Punkten gestaltet sich ein Vergleich hier schwierig, besonders aufgrund unterschiedlicher Semantik. Ich möchte das dennoch einmal angehen und werde an den entsprechenden Stellen darauf hinweisen.


Zunächst möchte ich den Fragebogen von Elaine Aron („HSP-Scale“) auf seine Tauglichkeit für einen Vergleich mit den Merkmalen hochbegabter Erwachsener prüfen. Dazu ist es notwendig, die



Definition von Hochsensibilität


zu kennen, die Aron in ihrem Buch „Hochsensible Menschen in der Psychotherapie“ (S. 46) wie folgt angibt:


„Wenn man Hochsensibilität feststellen will, hält man Ausschau nach vier Kategorien:

1. gründliche Informationsverarbeitung 2. Übererregbarkeit 3. emotionale Intensität 4. sensorische Empfindlichkeit“

Diese vier Kategorien müssen alle vorhanden sein, wobei die erste, also die gründliche Informationsverarbeitung das Schlüsselmerkmal ist. Schlüsselmerkmale sind in der Biologie „Bezeichnungen für Verhaltensweisen, Fähigkeiten oder strukturelle Merkmale, die es einer Organismenart ermöglichen, eine ökologische Zone zu erschließen. S. der Vögel, die den Luftraum erobert haben, sind z.B. die Flugfähigkeit, Flügel und Federn …“. Ohne dieses Schlüsselmerkmal ist also eine Zuordnung zu einer Gruppe unmöglich.


Mit dieser Kenntnis ausgestattet,


können wir uns die HSP-Scale genauer ansehen:


1. Mir scheint, dass ich Feinheiten um mich herum wahrnehme

2. Die Launen anderer machen mir etwas aus

3. Ich neige zu Schmerzempfindlichkeit

4. Koffein wirkt sich besonders stark auf mich aus

5. Ich habe ein reiches, komplexes Innenleben

6. Laute Geräusch rufen ein Gefühl von Unwohlsein in mir hervor

7. Kunst und Musik können mich tief bewegen

8. Ich bin gewissenhaft

9. Ich erschrecke leicht

10. Veränderungen in meinem Leben lassen mich aufschrecken und beunruhigen mich

11. Wenn viel um mich herum los ist, reagiere ich schnell gereizt

12. Ich bin sehr darum bemüht, Fehler zu vermeiden bzw. nichts zu vergessen

13. Es nervt mich sehr, wenn man von mir verlangt, mehrere Dinge gleichzeitig zu erledigen

14. Ich werde fahrig, wenn ich in kurzer Zeit viel zu erledigen habe

15. Ich achte darauf, mir keine Filme und TV-Serien mit Gewaltszenen anzuschauen

16. An stressigen Tagen muss ich mich zurückziehen können – ins Bett oder in einen abgedunkelten Raum bzw. an irgendeinen Ort, an dem ich meine Ruhe habe und keinen Reizen ausgesetzt bin

17. Helles Licht, unangenehme Gerüche, laute Geräusche oder kratzige Stoffe beeinträchtigen mein Wohlbefinden

18. Wenn Menschen sich in ihrer Umgebung unwohl fühlen, meine ich zu wissen, was getan werden müsste, damit sie sich wohl fühlen (wie zum Beispiel das Licht oder die Sitzposition verändern)

19. Ein starkes Hungergefühl verursacht heftige Reaktionen, es beeinträchtigt meine Laune und meine Konzentration

20. Ich bemerke und genieße feine und angenehme Gerüche, Geschmacksrichtungen, Musik und Kunstgegenstände

21. Als ich ein Kind war schienen meine Eltern und Lehrer mich für sensibel und schüchtern zu halten

22. Es zählt zu meinen absoluten Prioritäten, mein tägliches Leben so einzurichten, dass ich aufregenden Situationen oder solchen, die mich überfordern, aus dem Weg gehe

23. Wenn ich mich mit jemandem messen muss oder man mich bei der Ausübung einer Arbeit beobachtet, werde ich so nervös und fahrig, dass ich viel schlechter abschneide als unter normalen Umständen

(Entnommen aus Aron „Sind Sie hochsensibel?“, Seiten 21-24)


Bevor wir hier etwas vergleichen können,


müssen wir uns deutlich machen, was mit den einzelnen Punkten überhaupt abgefragt wird, denn auch hier müssen wir die Semantik berücksichtigen:


1. Detailwahrnehmung

2. Übererregbarkeit (aufgrund emotionaler Gegebenheiten), ggf. emotionale Intensität

3. Sensorische Empfindsamkeit (Reize aus dem Körperinneren)

4. Übererregbarkeit (aufgrund direkter äußerer Einwirkung)

5. Gründliche Informationsverarbeitung, ggf. emotionale Intensität

6. Sensorische Empfindsamkeit (Geräusche)

7. Sinn für Ästhetik, ggf. emotionale Intensität

8. Genauigkeit, ggf. Perfektionismus (der muss nicht negativ sein!)

9. Übererregbarkeit

10. Verlangen nach Ruhe in Form von Kontinuität, Übererregbarkeit

11. Übererregbarkeit

12. Perfektionismus

13. Übererregbarkeit, ggf. Reaktion auf Zeitdruck, Perfektionismus

14. Wie 13

15. Abneigung gegen Gewalt, ggf. emotionale Intensität

16. Übererregbarkeit, Verlangen nach Ruhe, um das Erregungsniveau zu normalisieren

17. Sensorische Empfindsamkeit

18. Empathie, ggf. emotionale Intensität

19. Sensorische Empfindsamkeit (Reize aus dem Körperinneren)

20. Sinn für Ästhetik

21. Fremdbild über die eigene Person

22. Wie 16

23. Abneigung gegen Wettbewerb, ggf. Übererregbarkeit aufgrund emotionaler Gegebenheiten, Perfektionismus


Wir sehen also, dass mit 4 Punkten die sensorische Reizempfindlichkeit, mit 7-9 Punkten die Übererregbarkeit und gegebenenfalls (!) mit 5 Punkten die emotionale Intensität abgefragt wird, und nur 1 Punkt vorhanden ist, der auf Merkmale von Intelligenz verweist, nämlich in Form des „komplexen Denkens“ oder, in Arons Worten, der „gründlichen Informationsverarbeitung“.


Aber was verbirgt sich hinter den einzelnen Begriffen?


Aron erklärt das in o. g. Buch über fast 30 Seiten. Ich führe das hier nur sehr kurz aus:


1. Informationen können erst verarbeitet werden, wenn sie durch Wahrnehmung (Aufnahme => Thalamus) ins Gehirn gelangen. Mehr Wahrnehmung, mehr Informationen. Mehr Informationen, mehr ("gründlichere") Verarbeitung. Aron siedelt hier die hohen ethisch-moralischen Werte, die tiefe Reflexion über sich und andere aber auch über Sachverhalte an, ebenso wie ein schnelles Verstehen, tiefe Einsichten, das Wahrnehmen und Einbeziehen vieler Details, die vielen Warum-Fragen und vieles mehr. Das sind alles Verhaltensweisen/Eigenschaften, die auch der (hohen) Intelligenz zugeordnet werden. Das Fehlen dieser gründlichen Informationsverarbeitung bedeute, dass hier keine Hochsensibilität vorliegt (Aron).


2. Aron meint hier die körperlich spürbare, nervliche Übererregbarkeit, wie man sie z. B. in Stresssituationen oder auch bei sehr großer Freude empfindet. Dieser Punkt wird auch gern mit emotionaler Überempfindlichkeit verwechselt. Das zeigt sich oft, wenn es nur bestimmte negativ bewertete Situationen betrifft.

3. Wichtig ist bei dieser Kategorie, sich immer bewusst zu machen, dass es um INTENSITÄT geht und nicht um Überempfindlichkeit bezüglich negativer oder belastender Emotionen. Wir haben die Eigenheit, unseren Fokus auf das Negative zu legen und das Positive hinzunehmen, das ist ganz menschlich. Dennoch müssen hier immer beide Seiten betrachtet werden. HSM haben auch die Fähigkeit zu übergroßer Freude, Begeisterung und Leidenschaft (wenn man sie lässt), was positive Emotionen sind. Fehlt diese positive Seite in ausgeprägter Intensität, so ist nach den Ursachen zu forschen. Ist sie tatsächlich nicht vorhanden, liegt nach Aron keine Hochsensibilität vor.

4. Hier geht es ausschließlich um die Sinne. Meist sind alle betroffen, werden aber nicht immer gleich bewusst wahrgenommen. Die meisten HSM nehmen eine deutliche Geräuschempfindlichkeit gefolgt von Lichtempfindlichkeit wahr (bei Kindern steht oft die taktile Empfindsamkeit im Vordergrund). Anderes oft erst, wenn man sie darauf aufmerksam macht. Besonders die taktile Empfindlichkeit wird oft falsch gedeutet (sich nicht anfassen lassen wollen, etwas nicht anfassen, am Körper haben wollen).

Bei den hier genannten Punkten gilt: Sie müssen alle vorhanden sein. Aber sie treten in individuell unterschiedlichen Konstellationen (Ausprägungen) auf und auch in unterschiedlicher Intensität. Ferner ist zu berücksichtigen, inwieweit in der Kindheit eine angemessene Emotionsregulation erlernt werden konnte und inwiefern das Elternhaus/die Bezugspersonen stabil sind/waren. All das hat Einfluss darauf, ob und wie eine Hochsensibilität sich zeigt und vom HSM selbst und auch von seinem Umfeld wahrgenommen wird. Aron sagt, dass HS-Kinder, die in einem annehmenden Umfeld aufgewachsen sind, kaum von Normalsensiblen zu unterscheiden sind. Das erklärt zum Teil, warum einige (begabte) Menschen sich selbst nicht als hochsensibel einschätzen und/oder von anderen nicht als hochsensibel erkannt werden. Logisch: Wenn die hohe Sensibilität in der Kindheit als normal angesehen wurde, wird das betroffene Kind es auch als normal empfinden (auch später als Erwachsener) und sich höchstens ab und an wundern, warum andere nicht so empfindlich sind. Aber es wird sein Augenmerk nicht darauf legen.

Diese im Sinne von eindeutigen Hinweisen auf Intelligenz dürftigen Informationen, sowohl in ihrem Fragebogen, als auch in der Definition von Hochsensibilität, machen einen direkten Vergleich, so wie ich es im vorherigen Artikel bei Kindern gemacht habe, unmöglich, weil „Intelligenz-typische“, kognitive Eigenschaften oder Fähigkeiten hier nur der „gründlichen Informationsverarbeitung“ zugeordnet werden können. Die ist ja, wie bereits erläutert, das Schlüsselmerkmal für Hochsensibilität, womit klar sein dürfte, dass es Hochsensibilität ohne (hohe) Intelligenz nicht gibt. Und dennoch fragt Aron dieses Schlüsselmerkmal konkret mit nur einem Punkt in ihrem Test ab. Es sei denn, man bewertet „gründliche Informationsverarbeitung“ als eine Art übergeordneter Fähigkeit und ordnet die anderen drei „darunter“ ein. Etwa so wie bei den Vögeln die Flugfähigkeit vorhanden sein muss, aber eben auch Federn, Flügel, etc.

Wir können also nur aus Arons Texten auf deutlichere Anzeichen von Intelligenz schließen.


Deshalb zitiere ich hier einige Sätze und Satzteile aus Arons Buch „Sind Sie hochsensibel?“:

Anmerkung: Weil das alles Zitate aus dem o. g. Buch sind, spare ich mir der besseren Lesbarkeit wegen genauere Zitationsangaben, ebenso die Anführungsstriche. Meine eigenen Gedanken kennzeichne ich kursiv:


- besser im Aufspüren von Irrtümern und besser darin, sie zu vermeiden

Irrtümer bereiten oder sind Probleme. Wenn ich sie vermeiden will, muss ich in er Lage sein, sie zu erkennen UND anders, zielgerichtet, sinnvoll zu handeln. Das wird im Bereich Hochbegabung „Problemlösekompetenz“ genannt.


- fähig, sich gut zu konzentrieren (wenn wir nicht abgelenkt werden)

Eine gute Konzentrationsfähigkeit wird auch intelligenten Menschen zugeordnet.


- besonders gut bei Aufgaben, die [ … ] Schnelligkeit und das Aufspüren von feinen Unterschieden erfordern

Schnelligkeit im Denken und ein gutes Differenzierungsvermögen ist ebenfalls Bestandteil von Hochbegabung


- fähig, Wahrgenommenes auf einer tieferen Ebene des so genannten semantischen Gedächtnisses zu verarbeiten Semantisches Gedächtnis = Teil des expliziten Gedächtnisses, das Fakten und Wortbedeutungen (Lexikon) enthält, nicht aber die autobiographischen Erinnerungen (episodisches Gedächtnis) 1

Auch intelligente Menschen verarbeiten Fakten und Wortbedeutungen auf einer tieferen (unbewussten) Ebene


- nachdenklich, was ihre eigenen Gedanken betrifft „über die eigenen Gedanken nachdenken zu können“, die „Betrachtung der eigenen Gedanken von einer Metaebene aus“ gilt als Zeichen von (hoher) Intelligenz


- fähig, etwas zu lernen, ohne sich des Lernvorgangs bewusst zu sein

Auch von Hochbegabten hört und liest man oft, dass sie etwas „einfach wissen“, ohne sich darüber klar zu sein, wann und wo sie das gelernt haben könnten.


- intelligente College-Studentin mit klarem Blick

Wenn du das Buch, aus dem diese Auszüge sind, einmal aus der Perspektive „Intelligenz“ liest, wirst du feststellen, dass Aron ausschließlich intelligente Menschen beschreibt. Der „klare“ oder auch „wache“ Blick wird übrigens genauso auch bei Hochbegabung erwähnt.


- … fühle mich so anders

Das Gefühl des Andersseins ist nahezu jedem Hochbegabten bekannt


- Das Resultat war, dass man sie in einem Programm für Begabte unterbrachte, was mich nicht überraschte

Bezeichnend ist hier, dass Aron von der hohen Intelligenz ihrer Klientin nicht überrascht war. Das kann man sicher unterschiedlich deuten, für mich heißt das, dass sie das schon vermutete oder aber sowieso davon ausging


- … die oftmals große Kreativität, Leidenschaft, Erkenntnis und Anteilnahme an den Tag legen Intelligenz steht im direkten Zusammenhang mit Kreativität (oder umgekehrt), Leidenschaft erkennen wir meist bei berühmten Hochbegabten (z. B. Künstlern, Musikern, aber auch Naturwissenschaftliern wie Einstein oder Hawking), es gibt sie aber genauso natürlich auch bei unbekannten Hochbegabten, und Erkenntnisstreben ist ein ganz typisches und bekanntes Merkmal von Hochbegabung.


- … denken genauer über alles nach…

Das tun Hochbegabte auch, wie man in zahlreicher Literatur dazu nachlesen kann


- … besitzen wir die Fähigkeit ganz genau zu differenzieren

Das hatten wir weiter oben schon in ähnlicher Form (das "Aufspüren feiner Unterschiede" = Differenzierungsfähigkeit)


- ausgeprägte Intuition

Vereinzelt liest man das auch wörtlich in Literatur zu Hochbegabung, öfter wird es umschrieben. Auch Hochbegabte selbst berichten davon, wenn sie konkret danach gefragt werden.


- … Informationen unbewusst bzw. halbbewusst aufnehmen und weiterverarbeiten Ähnliches hatten wir weiter oben im Zusammenhang mit dem semantischen Gedächtnis.


- Sie oft etwas einfach so wissen, ohne dass Ihnen klar ist wieso.

Auch diese Formulierung gibt es in ähnlicher Form weiter oben ("fähig, etwas zu lernen, ohne sich des Lernvorgangs bewusst zu sein")


- … Sie über Vergangenes und Zukünftiges mehr als andere nachdenken

Die Reflexion kommt hier in unterschiedlicher Formulierung häufiger vor.


- … wissen einfach, wie die Dinge sein sollten, [ … ], oder wie etwas enden wird

Das ist ebenfalls eine Form von unbewusstem/teilbewusstem Wissen oder auch Intuition.


- So gibt es … unter den HSM … begabte Künstler oder Erfinder, ebenso wie … gebildete Menschen

Ein deutlicher Hinweis auf Begabung und Intelligenz.


- Auch Ihr Verstand arbeitet aufgrund dieser Charaktereigenschaft anders

Das ist ein Punkt, der auch häufig mit unterschiedlichen Ausdrucksweisen von Aron umschrieben wird, den viele aber überlesen.


- … verstehen wir mehr und erinnern uns besser als andere

Das wird genauso ebenfalls im Bereich Hochbegabung geschrieben ("sehr gutes Gedächtnis = Erinnerungsvermögen", "schnelles Verstehen", tiefes Verständnis")


- lernen Sprachen besser

Ein Hinweis auf hohe Lernfähigkeit, die auch ein Teil einer hohen Intelligenz ist.


- Wir sind die Schreiber, Historiker, Philosophen, Richter, Künstler, Forscher, Theologen, Therapeuten, Lehrer …

Das sind alles Berufe, die ohne eine hohe Intelligenz sicher nicht erreicht und nicht ausgeübt werden können.


- Was wir für jede dieser Tätigkeiten mitbringen, ist die Tendenz über die verschiedenen Auswirkungen einer Idee nachzudenken Das wird im Bereich Hochbegabung „Fähigkeit zum Perspektivwechsel“ genannt und ist induktives logisches Denken (s u.).


- … dass wir innehalten und warten, bis wir die neuen Umstände verstanden haben. Für mich ist dies ein höchst signifikantes Zeichen für Intelligenz.

Auch hier beschreibt sie die Selbstverständlichkeit des Zusammenhangs mit Intelligenz ganz deutlich


- … vertrauen sich zwar während ihrer gesamten Schulzeit meist nur einem oder zwei Freunden an Auch Hochbegabte haben oft nur ein oder zwei Freunde.


- Im Laufe ihrer fortschreitenden Selbstreflexion (für die offensichtlich viel Mut und Intelligenz nötig war), …

Auch hier wieder der deutliche Zusammenhang eines Merkmals „Selbstreflexion“ mit Intelligenz


Ferner schreibt Aron in ihrem Buch „Hochsensible Menschen in der Psychotherapie“ (S. 252):

„Zu Intelligenzunterschieden möchte ich anmerken,


dass ich noch nie die Kombination von niedriger Intelligenz und hoher Sensibilität gesehen habe, und vielleicht wäre sie bei der gründlichen Informationsverarbeitung der Sensiblen auch gar nicht möglich.“


Dem stimme ich zu, nur das „vielleicht“ möchte ich streichen, denn in der Tat geht eine gründliche Informationsverarbeitung, die ja eine hohe Wahrnehmungsfähigkeit voraussetzt (was für HS auch postuliert wird), mit einer niedrigen Intelligenz nicht zusammen.


Schauen wir jetzt also, inwieweit wir Hochsensible in meiner Merkmalliste von Hochbegabten wiederfinden.


- Gefühle des "Andersseins"

Das beschreibt Aron in ihren Texten und man liest und hört es von fast jedem Hochsensiblen


- Hohes Denk- und Sprechtempo, vielleicht auch ein sprunghaft wirkendes, assoziatives Denken – wobei andere Menschen oft nicht folgen können

Diese Eigenschaft haben viele, aber bei weitem nicht alle Hochbegabten. Ich selbst spreche nicht so schnell und habe auch Schwierigkeiten, sehr schnell sprechenden Menschen zu folgen, trotz einer sehr hohen Intelligenz. Dass andere Menschen aufgrund eines hohen Denktempos (das Hochbegabte oft gar nicht selbst bemerken) nicht folgen können, erzählen mir allerdings auch viele, die sich selbst „nur“ als hochsensibel wahrnehmen. Sätze wie „was hat denn das jetzt damit zu tun?“, „bleib doch mal bei der Sache“ oder „wie kommst du denn jetzt darauf?“ sind ihnen wohl bekannt. Das liegt einfach daran, dass Hochsensible ständig über Gott und die Welt nachdenken, so viele Einzelinformationen im Kopf haben (s. o. „fähig, etwas zu lernen, ohne sich des Lernvorgangs bewusst zu sein“ und „Informationen unbewusst bzw. halbbewusst aufnehmen und weiterverarbeiten“), die sich mitten im Gespräch plötzlich zu einem Bild zusammenfügen, das sie dann auch gleich mitteilen möchten.


- Sehr gutes sprachliches Ausdrucksvermögen, großer Wortschatz, oft eine „gewählte“ Ausdrucksweise

Diesen Punkt haben wir in meinem Vergleich bei Kindern schon in Arons Fragebogen als „großer Wortschatz“ gehabt. Natürlich wird sich daraus im Lauf des Lebens ein gutes sprachliches Ausdrucksvermögen entwickeln und bei einigen auch eine „gewählte“ Ausdrucksweise.


- Gute Abstraktionsfähigkeit und gutes logisches Denkvermögen

Diesen Punkt bringen die meisten assoziativ mit Mathematik oder anderen Naturwissenschaften in Verbindung und es ist einer der meist genannten Gründe für einen "gravierenden Unterschied" von Hochbegabung zu Normalbegabung. Bei dieser Ausdrucksweise hat man gleich den Nerd vor Augen, der nur in mathematischen Formeln oder in Bits und Bytes denkt und dabei unfähig ist, soziale Kontakte zu pflegen. Aber es ist nur eine fachspezifische Semantik, die man auch in "normaldeutsch" übersetzen kann.


Was also bedeutet diese Ehrfurcht einflößende Ausdrucksweise eigentlich?

Weil hochsensible Menschen ihren Fokus gern auf soziale Beziehungen legen, will ich das hier an einem Beispiel aus genau diesem Bereich demonstrieren. Dazu zitiere ich aus meinem Buch „Hochbegabt?“ (s. 84/85). Zunächst aber eine kurze allgemeine Erklärung:


„Abstraktionsfähigkeit und logisches (schlussfolgerndes) Denken sind kaum voneinander zu trennen – bzw. bedingt das eine das andere. Als deduktives logisches Denken bezeichnet man Schlussfolgerungen vom Großen zum Kleinen, also den Rückschluss von einem Gesamtkontext auf ein Detail. Das induktive logische Denken verläuft genau anders herum: Hier schließt man vom Detail auf das große Ganze. Beide Vorgänge erfordern eine gewisse Abstraktionsfähigkeit, allerdings kommt es beim induktiven logischen Denken stärker zum Tragen. Das lateinische Verbum abstrahere bedeutet „entfernen“, „trennen“, „sich von etwas losmachen“. Man abstrahiert also von etwas, indem man beispielsweise unwichtige Details vernachlässigt. „Abstraktionsfähig“ ist ein Mensch, der es schafft, sich auf das Wesentliche einer Aussage, eines Sachverhalts zu beschränken und dabei Einzelheiten wegzulassen, damit der Kerngedanke erkennbar wird und man ihn verallgemeinern kann. Um Einzelheiten als solche zu erkennen und sie weglassen zu können, muss man sich häufig gedanklich und/oder emotional aus einer Situation, von einem Sachverhalt entfernen (s. o. „Denken von einer Metaebene aus“). Um Zusammenhänge oder auch Differenzierungen vornehmen zu können (s. o. „besonders gut bei Aufgaben, die [ … ] Schnelligkeit und das Aufspüren von feinen Unterschieden erfordern“), braucht man viele Informationen, wobei Begabte diese Informationen aufgrund ihrer hohen Wahrnehmungsfähigkeit meist unbewusst oder teilbewusst irgendwo parat haben (s. o. „fähig, Wahrgenommenes auf einer tieferen Ebene des so genannten semantischen Gedächtnisses zu verarbeiten“, „fähig, etwas zu lernen, ohne sich des Lernvorgangs bewusst zu sein“). So können sie aus einem großen Fundus von Einzelinformationen schöpfen, die ihnen helfen, Dinge miteinander in Beziehung zu setzen oder voneinander zu trennen, was auch wieder über Abstraktionsvorgänge geschieht: Sie entfernen sich gedanklich und/oder emotional aus einer konkreten Situation, um sie mit anderen Situationen zu vergleichen. Im Gespräch mit einem anderen Menschen oder beim Lesen eines Texts beispielsweise kommen ihnen Einzelinformationen zu Bewusstsein, die das Bild, das Verständnis, vervollständigen, wodurch sie zu einer Erkenntnis gelangen (können).“


Wir abstrahieren jeden Tag andauernd und ziehen induktiv und deduktiv logische Schlüsse. Begabte können das bereits sehr früh und besonders gut. Hier die kleinen Beispiele aus meinem Buch:

„Die fünfjährige Saskia stellt fest, dass ihr Schulkamerad Frank sein Pausenbrot nicht isst, und fragt ihn deshalb, ob er denn keinen Hunger habe. Frank antwortet, er habe Bauchschmerzen. Saskia fällt ein, dass das bei Frank schon öfter vorgekommen ist (das heißt, sie löst sich gedanklich und emotional aus der konkreten Situation) und dass die Bauchschmerzen immer dienstags auftreten (Saskia abstrahiert). Dienstags geht Frank nach Schulschluss nicht nach Hause, sondern wird von einer Tagesmutter betreut, weil seine Mutter an den Dienstagnachmittagen arbeitet (Saskia schließt über den Zwischenschritt „dienstags“ auf „Betreuung durch die Tagesmutter“). Ihre Feststellung lautet daher: „Ach, du musst heute wieder zur Tagesmutter.“ Sie hat einen induktiv logischen Schluss gezogen.

Im umgekehrten Fall würde Frank auf die Frage „Hast du keinen Hunger?! Antworten: „Ich muss heute Nachmittag wieder zur Tagesmutter.“ Darauf würde Saskia, wenn sie deduktiv logisch denkt, antworten: „Und deshalb hast du Bauchschmerzen.“ Sie kommt vom Ganzen zum Detail. Ein einfacheres Beispiel für Abstraktionsfähigkeit und logisches Denken ist die Anwendung von „wenn – dann“: Die dreijährige Valentina erzählt ihrer gleichaltrigen Freundin Amelie, sie könne am Nachmittag nicht mit ihr spielen, weil sie zu ihrer Oma in eine weit entfernte Stadt fahren und auch bei ihr schlafen werde. Logische Schlussfolgerung der kleinen Amelie: „Dann kommst du ja morgen gar nicht in die Kita.“

Du siehst also, dass es keiner komplizierten mathematischen Formeln bedarf, um seine Abstraktionsfähigkeit und sein logisches Denkvermögen unter Beweis zu stellen. Soziale Situationen bieten jeden Tag reichlich Möglichkeiten dazu. Und je älter und erfahrener ein Mensch wird, desto ausgefeilter werden Abstraktionsfähigkeit und logisches Denken.

Für unser Gehirn macht es keinen Unterschied, ob wir über mathematische Formeln oder über andere Informationen nachdenken. Der rein technische Vorgang ist derselbe: Informationen werden wahrgenommen und verarbeitet. Das war’s. Inwieweit jemand diese grundlegenden Fähigkeiten für bestimmte Themen benutzt, spielt dabei keine Rolle.

Vielleicht können dir meine Erläuterungen ein wenig helfen, Abstraktionsfähigkeit und logisches Denken nicht immer gleich mit Mathematik in Verbindung zu bringen und diese Fähigkeit deshalb nicht gleich für dich auszuschließen.


- Ausgiebiges Reflektieren

Auch dieser Punkt wird bei Aron immer wieder betont.


- Freude an kontroversen Diskussionen, kritisches Hinterfragen von Meinungen, Fähigkeit zum Perspektivwechsel

Auch hier taucht wahrscheinlich das Bild eines „Nerds“ vor dem geistigen Auge auf. Und auch hier müssen wir uns fragen, was das denn genau bedeutet. Mit „Freude an kontroversen Diskussionen“ ist nicht gemeint, „Hauptsache dagegen“, sondern das Streben nach Erkenntnisgewinn. Auch für Hochsensible sind die Fragen nach dem „Warum?“ elementar wichtig. Sie wollen wissen, warum die Dinge und vor allem die Menschen sind wie sie sind. Warum zerstören sie ihre Umwelt, warum quälen sie Tiere, warum führen sie Krieg und so weiter. Die Fähigkeit zum Perspektivwechsel hatten wir auch weiter oben schon, doch auch hier kommt sie zum Tragen, weil Hochsensible sich gern in Menschen hineinversetzen, um sie besser verstehen zu können.


- Die freiwillige Beschäftigung mit anspruchsvollen Themen

Das ist auch ein – wenngleich nicht offensichtlicher – Punkt aus Arons Fragebogen zu HS-Kindern. Bei ihr ist das der Punkt „Stellt tiefgründige Fragen, die nachdenklich stimmen“. Hier geht es um anspruchsvolle Themen wie Umweltschutz, Philosophie, Gesellschaftskritik und ähnliches. Daraus ergibt sich bis zum Erwachsenenalter oft die „freiwillige Beschäftigung mit anspruchsvollen Themen“. Ob das permanent geschieht oder als exklusives Hobby betrieben wird, darüber gibt es keine konkrete Aussage und das ist sicher auch bei jedem anders. Und sicher hängt das Ausleben dieser Eigenschaft auch von der Sozialisierung ab. Wer immer gedeckelt wurde, wem ständig gesagt wurde "Das kannst du nicht", der wird das irgendwann glauben und sich gar nicht zutrauen, sich mit anspruchsvollen Themen zu beschäftigen. Leider betrifft das öfter Frauen als Männer.


- Individualismus und Nonkonformismus, ungewöhnliche Standpunkte und Anschauungen

Diese Begriffe implizieren bei vielen Menschen „Aufmüpfigkeit“, Rebellentum. Und insbesondere introvertierte Hochsensible werden das auf den ersten Blick weit von sich weisen. Meinem Eindruck nach hat das aber nicht nur mit Intro- oder Extraversion zu tun, sondern auch damit, wie der jeweilige Hochsensible aufgewachsen ist: Ist er in einem annehmenden Umfeld aufgewachsen und hat ein dem entsprechendes Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen, wird er auch so auftreten und seine Meinung kundtun und verteidigen. Ist er in einem abweisenden Umfeld aufgewachsen, wird er sehr wahrscheinlich zurückhaltender, ja ängstlicher sein. Im fehlen Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen, um eigene Standpunkte darzulegen und zu verteidigen. Grundsätzlich gilt für diesen Punkt: „Wer viel und intensiv reflektiert, dabei ständig die Perspektive wechselt, sowohl induktiv als auch deduktiv logisch denkt und sich ein umfangreiches und/oder breit gefächertes Wissen erworben hat, wird – gleichfalls logischerweise – zu anderen Ergebnissen gelangen, als jemand, der von einer kleineren Basis ausgeht. Die Ergebnisse dieser (für Außenstehende unsichtbar lange und umfassend ablaufenden) Reflexionsprozesse werden als „ungewöhnlich“, „individualistisch“ und häufig auch als „nonkonform“ wahrgenommen und bezeichnet – und sie sind das auch tatsächlich. Wobei sich die begabten Menschen hier allerdings nicht absichtlich oder gar zielgerichtet ja oft nicht einmal bewusst so verhalten. Ihre Schlüsse resultieren aus ihrer (für sie völlig normalen) Denkweise. Oftmals stellen sie selbst nur fest, dass sie in ihrem sozialen Umfeld als Individualisten und Nonkonformisten gelten ohne sich selbst so zu empfinden.“ (Reichardt, Hochbegabt?, S. 89)


- Sinn für Ironie und (absurden) Humor

Der „kluge“ Humor taucht ebenfalls schon in Arons Fragebogen zu Kindern auf, den ich für den Vergleich im ersten Artikel genutzt habe. In Verbindung mit dem „großen Wortschatz“ und anderem entwickelt sich bis zum Erwachsenenalter häufig ein ausgeprägter Sinn für Ironie, aber auch für Sarkasmus und manchmal schwarzen Humor.


- Kreative oder auch künstlerische Fähigkeiten

Bei Aron auch deutlich benannt und betont.


- Ausgeprägtes Gerechtigkeitsempfinden

Auch das wird von Aron mehrfach und immer wieder betont.


- Erhöhte emotionale Sensibilität

Ein wesentlicher Punkt bei Aron, auch in ihrer Definition.


- Ungeduld, Langeweile und Konzentrationsmängel bei monotonen Aufgaben

Ein Punkt, über den man beim Vergleich HS/HB sicher streiten kann.

Von Hochsensiblen höre und lese ich häufig, dass sie bei der Arbeit (viele) Fehler machen. Sie erklären sich das mit einer mangelnden Konzentrationsfähigkeit aufgrund von Umweltreizen (Ablenkbarkeit).

Ich möchte hier einmal eine andere Perspektive anbieten: Die Aufgaben sind einfach nicht anspruchsvoll genug. Aufgaben, die das Gehirn nicht auslasten, bedeuten auf Dauer eine Unterforderung und das bedeutet Stress. Unter Stress kann niemand gut und konzentriert arbeiten. Möglicherweise resultieren die Fehler bei der Arbeit nicht aus einer Überforderung aufgrund von Umweltreizen, sondern aus einer Unterforderung aufgrund von zu wenig Anspruch. Und vielleicht trifft auch beides zu. (Die hohe Leistungsfähigkeit von Hochsensiblen, insbesondere am Arbeitsplatz, ist mir übrigens schon im ersten deutschsprachigen Buch „Zart besaitet“ von Georg Parlow deutlich aufgefallen. In fast allen anderen Büchern über Hochsensibilität, in meinem sowieso, ist davon ebenfalls zu lesen)


- Überhöhte Selbstansprüche, Selbstzweifel, Selbstkritik, Perfektionismus

Alles Punkte, die Aron ebenfalls in ihren Texten immer wieder erwähnt.


- Besonderheiten in der Sinneswahrnehmung (Empfindlichkeit gegenüber Licht, Lärm, Berührung, Geruch und anderem)

Ebenfalls ein wesentlicher Punkt bei Aron, auch in ihrer Definition.



Fazit


Wie bei allen Listen, die Menschengruppen beschreiben sollen, ist es natürlich auch hier nicht notwendig, alle Merkmale aufzuweisen, um einer Gruppe anzugehören. Bei Arons HSP-Scale sind nur 12 von 23 Punkten notwendig, bei den Fragen für Kinder 13 von 23. Webb schreibt von „viele“. Selbst wenn also einige Merkmale gar nicht zutreffen und einige nur schwach, kannst du dennoch dazugehören. Es ist immer von Vorteil, sich intensiver mit beiden Themen auseinander zu setzen, vor allem, wenn du dir nicht sicher bist. Was Hochbegabung oder auch eine überdurchschnittliche Intelligenz angeht, gibt es Tests, mit denen die Intelligenz gemessen werden kann, so dass man sich irgendwo auf der Skala verorten kann. Hochsensibilität ist so nicht messbar.

Anhand dieses Artikels, dessen Inhalte für jeden jederzeit nachprüfbar sind, lässt sich feststellen, dass die Persönlichkeiten von hochbegabten und hochsensiblen Menschen identisch beschrieben werden und bei vielen Punkten nur eine andere Semantik verwendet wird, die – je nachdem, aus welcher Perspektive man auf die Phänomene schaut – teilweise unklare oder scheinbar gegensätzliche Bilder vermitteln kann. Davon sollte man sich nicht in die Irre führen lassen. Natürlich weisen alle Menschen individuelle Unterschiede auf und bei hochsensiblen und hochbegabten Menschen sind diese Unterschiede vielfältiger und deutlicher, weil sie intensiver sind als andere Menschen.

Ob du dich jetzt einer oder beiden Gruppen oder vielleicht keiner von beiden zuordnen möchtest/kannst, bleibt ganz dir überlassen. Ich freue mich, wenn ich dir mit meinen Ausführungen Gedankenanregungen geben konnten und dich weiter bringen.


Bis zum nächsten Artikel grüßt dich

Eliane

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